Rehkitzrettung mithilfe eines fliegenden Auges
Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen den Tag einläuten, sind die freiwilligen Helfer für die Rehkitzsuche auf den Beinen. Bevor das Feld gemäht wird, werden die Rehkitze aufgesucht und in Sicherheit gebracht.
Es ist kurz nach vier, als sich die kleine Wagenkolonne auf den Weg zur ersten Wiese macht. Am Feld angekommen, laufen die ersten Handgriffe mit viel Routine ab. Die Rehkitzsuche von heute setzt modernste Technik ein, um die kleinen Rehkitze aufzuspüren. Eine Drohne, etwa so groß wie ein Schuhkarton, wird aus dem Koffer entnommen und für den Start vorbereitet. "Die Drohne hat eine sehr gute Wärmebildkamera, mit dieser können wir gleich alle Tiere ausfindig machen", erklärt Florian Nommensen, während er die Drohne einschaltet und diese eine genaue Positionsbestimmung per Satellit durchführt. Dank GPS und vielen anderen Sensoren kann sie manuell oder eben auch vollautomatisch in einem vordefinierten Programm das Feld abfliegen, was die Suche sehr effektiv gestaltet.
Während Drohnenpilot Florian Nommensen die Fernsteuerung in der Hand hält und direkten Sichtkontakt mit dem fliegenden Auge beibehält, überwacht der zweite Drohnenpilot Hans-Jakob Jessen das Geschehen auf einem großen Bildschirm, auf dem per Liveübertragung die aktuellen Bilder angezeigt werden. "Jetzt am frühen Morgen bildet der kalte Boden zu den Tieren einen guten Kontrast, die Temperaturdifferenz zwischen Körper und Umgebung ist jetzt am größten, deshalb sind sie jetzt am besten zu sehen", verdeutlicht Hans-Jakob Jessen und deutet auf einen weißen großen Punkt auf dem Bildschirm. "Das könnte was sein, das schauen wir uns mal genauer an", so Hans-Jakob Jessen. Florian Nommensen hält die Drohne in der Luft an und lässt sie auf 20 Meter über dem Objekt sinken. "Ja, das ist ein Kitz", man kann den Körper deutlich erkennen. Mit einem Funkgerät ausgestattet werden nun die zusätzlichen Helfer zu dem Fundort geleitet.
Kai Ulrich ist als erstes am Ort des Geschehens und sieht das Rehkitz vor sich im hohen Gras liegen. Lauert eine Gefahr oder geschieht etwas Ungewöhnliches, drücken sich die Jungtiere fest auf den Boden und bleiben bewegungslos liegen. Dieser Drückinstinkt ist ein Schutzmechanismus, der in der von dem Menschen veränderten Umwelt nicht immer funktioniert, denn das Tier erkennt nicht die Gefahr des Mähers. Mit Plastikhandschuhen und Gras wird das Kitz vorsichtig hochgehoben. "Es darf von uns keinen Geruch annehmen, damit es später auch von der Ricke wieder angenommen wird", hebt Kai Ulrich bei der Rettung hervor. Sanft wird es am Rand der Wiese abgelegt und ein spezieller Korb als kleiner Käfig drübergelegt und fixiert. "Erst nachdem das Feld heute gemäht ist, kann das Kitz wieder freigelassen werden".
Das Ausbringen von Flatterbändern oder das Mähen eines kleinen Streifens am Feldrand soll die Tiere stören und zum Verlassen des Feldes bewegen. Diese herkömmlichen Maßnahmen zur Kitzrettung sind zeitintensiv und bieten keine vollkommene Sicherheit. Mit dem Einsatz der neuen Technik wird der Tierschutz deutlich verbessert, denn die Rehkitzrettung per Drohne ist effektiver.
Die Inanspruchnahme von ehrenamtlichen Helfern und geschulten Drohnenpiloten über einen gemeinnützigen Verein ist eine gute Lösung, um so allen Landwirten die Möglichkeit zu geben von der neuen Technik zu profitieren. Aus diesem Grund gründete sich der Verein „Wildtierrettung Osterby auf der Geest e.V.“ vor knapp einem Jahr.
Zweckentfremdend darf die Drohne nicht eingesetzt werden. "Wir haben ca. 50 Prozent der Anschaffungskosten für den Zweck des Tierschutzes vom Bundesministerium gefördert bekommen, dafür ist dann auch die Drohne gedacht; den anderen Teil haben wir der Jagdgenossenschaft Osterby, also den Landeigentümern und Landwirten zu verdanken", verdeutlicht Florian Nommensen.
Knapp 7500 Euro kostete die Drohne mit den ganzen zusätzlichen Geräten, die für einen längeren Einsatz notwendig sind. 100 ha können dadurch in 4-5 Stunden gesichtet werden. Doch trotz der ganzen Technik ist nach wie vor die gute Absprache untereinander der Schlüssel zum Erfolg. "Der enge Kontakt zu den Landwirten und Jägern ist wichtig", hebt Florain Nommensen hervor. Zum einen muss eine gewisse Zeitplanung erfolgen und zum anderen lassen sich durch die Sichtung der Tiere verstärkt Rückschlüsse erfolgen, wo sich diese gerade aufhalten.
Außerdem wird immer eine Handvoll Helfer benötigt, denn neben dem Aufspüren müssen ja auch die Kitze in Sicherheit gebracht werden. Allein in diesem Jahr konnten bislang so 12 Kitze im Bereich von Osterby vor dem Unfalltod bewahrt werden. Auch in den anderen Kirchspielgemeinden findet die Rehkitzrettung mithilfe von Drohnen bereits statt.
(Sebastian Goecke)